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Die Mitternachtsblume

– oder: „Maria voller Gnaden“


Ich grüße Dich, Dunkelheit


Ich grüße Dich, Dunkelheit,
der Formenwelt Erlöserin,
Du kommst mit Kälte, Regen, Sturm
Und rüttelst wild der Bäume lebens-, pflichterfüllungsmüde Blätter ab
Im Herbst, zerstörst erbarmungslos die müden Kleider der Natur,
auf dass von ihren alten Bildern unbeengt
sich allen frei das ganze Masß der Rückbesinnung schenkt:
Bewußt des eigentlichen Lebens Wesen ihrer äußeren Vergänglichkeit.

Ich grüße Dich, Dunkelheit,
Erneurerin des Strebens und der Sehnsucht Kraft.
Du kommst mit Zweifeln, Zagen und mit Einsamkeit,
brichst unaufhaltsam ein in alle Helle menschlicher Errungenschaft,
in alle Klarheit der Gedankenwelt und Überzeugung
und schüttelst die Umfriedung ab,
die Weltanschauung, Regeln und Moral des Menschendenkens
als Grenze der verborgnen Wirklichkeit entgegenstellt.

Sei mir gegrüßt, Du gnadenlose, gnadenvolle Dunkelheit,
der Wahrheit stille, ewge Mahnerin.
Du brichst das Knospen, Blühen, Fruchten meines Daseins hin
Im Sterben, Scheiden des vergänglichen Reflexes
Der als Wesentliches angenommenen Identität mit Namen, der Persönlichkeit,
und öffnest mir die Augen, schmerzensreich, erlösungsvoll,
den Blick zu heben, das Bewusstsein, über jenen Irrtum
des begrenzten Einzelseins zur Wahrheit unbeschränkten Lebens.

Da bist Du, ach, Du Dunkle, Du,
all der versäumten Pflichten unumgängliches Gewissen.
Du kommst mit Rache, Hass und Blut,
mit Krieg, mit Elend, Wahn und Wut,
mit Unheil, Katastrophe nimmst Du fort die Lüge und den Selbstbetrug:
Wir hätten alles Menschenmögliche getan,
den Himmel auf dieser Erde zu schaffen,
hier, heute zu leben, auf was wir hoffen.


Ich grüße Dich, Dunkelheit,
Göttin der Nacht . Du erwartest mich, bewundert, verflucht.
Ohne ganz zu verstehen, hab ich lang Dich gesucht.
Sieh, all meine Liebe bringe ich Dir -
Da zog vom verborgenen Angesicht den Schleier die große Macht
- und war Opfer für uns, Geduld, Trost und Lieb´,
War Lehrer, Gebärer, war Schützerin,
War die Mutter des Lichts, sein verborgener Sinn

(Brigitte Walter, September 1988)

Meine Mutter erzählte mir über die Nacht, in der ich geboren wurde,, dass in jenen Tagen im Sommer der Jahrhundert–Hitzerekord herrschte. Sie hielt sich im Haus meiner Tante auf, da sie so der Entbindungsklinik näher war. Meine Tante pflegte in ihrer Wohnung seit Jahren drei große Kakteen der Art Cactus grandifloribus, oder auch „Königin der Nacht“, jene Kakteen, die, wenn überhapt jemals, ihre Blüten alle sieben Jahre nur für eine einzige Nacht öffnen. Gegen 24 Uhr gingen in jener Nacht die Blüten an allen drei Kakteen auf. Zwei Stunden später wurde ich geboren. Bis heute versuche ich zu ergründen, was die Botschaft ist.